Mittelelbisches Wörterbuch, Band 1 (A-G), Spalte 571
1Ber m. 1a. ‘(Groß-)Bauer, Landwirt, Besitzer eines
Bauernhofes’ verbr. – Die B. hatten freie Verfügungs-
gewalt über ihren (Erb-)Besitz, Abgaben und Belastun-
gen lagen allenfalls auf dem Hof, nicht auf der Person des
B. Da sie die größten landwirtschaftlichen Nutzflächen
(um 1900 bis zu Größen von über 70 Morgen in der
Altm., über 100 Morgen im Unterharz und in der Börde,[572]
wo sich sogar Höfe bis zu einer Größe von 400 Morgen
fanden) und als Einzige ein volles Pferdegespann (Voll-
spänner: 4 bis 6 Pferde) besaßen, bildeten sie die Ober-
schicht. Wohlhabende B. arbeiteten nicht mehr selbst mit,
sondern leiteten den landwirtschaftlichen Betrieb von ei-
nem im Anwesen eingerichteten Kontor aus. Nur sie
durften als B. bezeichnet werden, im letzten Drittel des
19. Jh. gingen sie selbst zur Bezeichnung Ökonom über.
Unter ihnen standen in der sozialen Hierarchie die Drei-
viertel-/Halbhüfner und Halbspänner sowie die Kossaten
(vgl. ausf. Ktste(r)) und Grundsitzer, die über wenig
oder nur gepachtetes Ackerland verfügen konnten. vgl.
u.a. Knechte-nwAltm 5, Vk-Altm 50, Alltag-Börde 14 f.,
403, Volkstum-Ma 36, Vk-Unterharza 41. – de grte
Ber
‘der Besitzer eines Bauernhofes’ Wb-We 24; bie de
groten Bure wärt disse Arbeit in Akkort e’makt
HA-Neu;
d Mut (Magd) dnt bain Ban JE2-Scho; Da is mal ... en
Bure west, dei’n grotes Anwesen harre.
Rauch 1929,77;
en Buer mutt feste mit taufaat’n, der kann nich blot
mit’n Handschtock jahn
WA-We; Slimm genogt, dät de
Bure nich to ville Insicht häm ...
Heimatkalender-Je
1924,59 (JE2-Vie); Bei den eenen (gemeint ist eine Gast-
stätte) waren der Farre un der Kanter un der Schulze un
de Bauern ...
Heese 21919,101; Zundert alleweile hat je
wo jeder Bauer seine Jagd ...
Wäschke 61915,24; Rda.:
den Buren up’n Aeddelmann setten ‘nach Wein Bier
trinken’ Id-Altm; dat willt nu mal Engels weeren, sää de
Paster, dunn leigen sebben besoopene Buren undern
Disch
HA-No; Sprw.: Sommerroggen un Ziegenmeß
freten den Bur’ as he is.
‘Beide ruinieren den B., weil der
Sommerroggen den Boden auszehrt und Ziegenmist nutz-
los ist’. Spr-Altm 87; Tanzlied:Alleweil sin de Bauern lustig,
Alleweil sin de Bauern froh,
Alleweil kost’ der Weizen fuffzig
Un zwee Groschen das Bund Stroh.
Vk-Anhaltc 141 (BA-Neu);
von den anderen sozialen Schichten des Dorfes streng
geschieden, entwickelte sich ein eigenes Standesbewusst-
sein, dem bes. im Selbstbild best. Eigenschaften zuge-
ordnet werden: Sprw.: ein Bur kann nich artreckt (erzo-
gen) wern, dei mot geboren sien WO-Gu; de Hoff stärvt
nich, blot de Buurn stärven
OST-Sta; Wenn man ainen
Buren opp de Töne
(Zehen) tritt, denn hinkt dat ganze
Dörp.
Wb-Holzl 35; Wer’n Bur’n bedregen will, de mütt
fröh upstaohn.
Bewohner-Altm 1,325; de Buur de up
sien Vee nich acht, de acht sick sälwest nich
OST-Sta;
Hat de Bure Geld, denn hat’t de ganze Welt. ‘Eine gut
gehende Landwirtschaft, sichert auch den Wohlstand ei-
nes Landes.’ Chr-Em 428; das Bestreben, dieser Stellung
auch äußerlich Ausdruck zu verleihen, regt zu Spott an:
Rda.: Dät versteiht sich, sä de Bur, dao sprak’r
hochdütsch.
Bewohner-Altm 1,325; Een Bur woll ook
väörnehm sind, häi slep bet half Naomiddag.
a.a.O.
1,324; Sprw.: Bure blifft Bure un wenn hei slöpt bet
Middag
HA-Bee; n slächten Buan, de nich prohlen un
stähn
(stöhnen) kann, je nohdem wiet anbracht is STE-[573]
KlMö; In Gedanken frt de Br k in’t Kutsch. wird
gesagt, wenn sich jmd. Illusionen macht, Wb-Altm 205;
Bur is keen Eddelmann. Bewohner-Altm 1,324; anderer-
seits wird den B. Eigennutz, Geiz und übermäßiges Ge-
winnstreben nachgesagt: Rda.: Ei is Ei, sagte de Bur,
dunn bracht’r ’n Preister ’n Sperlingsei.
Spr-Altm 87;
Dat kost nix, sä de Bur, do prügelt he sin Jung. Heimat-
land-Ga 1930 Nr. 10; Sprw.: Wenn de Bure fon Je’m
höört, dat is als wenn de Slach ön röört.
Wb-Holzl 35;
Wenn de Bur spar’n will, denn fängt’r bäin Köster un
Prester an.
Bewohner-Altm 1,324; ’ne Arme kann man
ebenso argern as ’ne Rieke sagte de Bur, as he nach
Geld freiete.
Spr-Altm 87; Wenn de Köh’ god togaohn un
de Fraun’s god afgaohn, denn kann de Bur bestaohn.

‘Wenn die Rinder gut gedeihen und die Ehefrau stirbt,
kann der Bauer (durch eine erneute Heirat einer vermö-
genden Frau) seinen Reichtum mehren.’ Bewohner-Altm
1,324; ebenso gilt der B. als dickköpfig und bequem: wat
de Bur nich will, det deit he nich
STE-Do; ehe der Bure
zweemoahl jeit, schlept’te detten der Buuk weh deit
JE1-
Wol; sowohl abw. als auch anerkennend (mit Bezug auf
die Bauernschläue): en Bur is en Bur, is en Beist (Biest)
von Natur WE-Oster; Br iss ’n Br, Schelm von Natur.
Wb-Altm 98; aus der Sicht der Stadtbevölkerung werden
den Bauern Unkultiviertheit, Rückständigkeit, Be-
schränktheit, sogar Dummheit und Grobheit vorgewor-
fen: Rda.: de Ber stöt’n in’n Nacken ‘Derbheit und
Ungebildetheit dringen immer wieder beim B. durch’
Wb-We 24; dat gaet ja as wenn dai Biua Pliu’m fritt ‘das
geht sehr schnell’ SA-Dä; Alltoglik sä de Bur, dao har’r
een Pärd vör’n Waw’n
(Wagen). Bewohner-Altm 1,325;
wat versteht de Bure von Jurkensalat? OSCH-Eils; Wat
de Welt doch grod is, sä de Bur, dunn keek’r äöwer’n
Kohltun.
Bewohner-Altm 1,324; A’ wil (jetzt) kaom ick,
sä de Bur, dao feel häi ut de Luk.
Verspottung von über-
triebenem Eifer, a.a.O. 1,324; Sprw.: wat de Bur nich
kennt, det fritt he nich
GA-Trü; wenn de Buer keine
Inwenige
(Wendestelle) härre, pleue hei bet na Jerusalem
WE-Dee; De Bur’n lieben lange Mettwöst un korte Pre-
digt.
Spr-Altm 87; de dümmsten Burn hebbn de jrötsten
Tüffeln
STE-Bir. – 1b. in der Verbdg.: lüttger/kleiner
Ber
‘Kleinbauer, Besitzer eines kleinen Ackerhofes’,
Ktste(r), 2: ZE-Jü, 3: vereinz. OSCH WE. – 2.
‘grober, unhöflicher Mensch’, abw., 4: Wb-Ak 33, Vk-
Anhaltc 42 – Rda.: D bist an richtijer Bauer, nimmst
nonichem de Mitze ab.
Wb-Ak 33. – 3. ‘Unter’, Spiel-
karte, 2: Wb-Altm 29. – 4. ‘Weihnachtsmann’,  W-
nachtsmann
, vgl. Berkls, 3: Wb-Nharz 35.
Lautf., Gram.: Buer, [br, nwaltm., nbrdb.: -, -] vereinz.
ö nwaltm., verstr. nbrdb., WO-Ma, verstr. mittleres/s elbostf.;
per Mda-Sti 19; Buere, [br] vereinz. s JE2 n JE1, HA-Oh,
vereinz. nw OSCH, WA-Un; Buur, [br] SA-HDo Ho, vereinz.
w Altm., verstr. ö Altm., JE2-Gü, GA-Ge, verstr. sw elbostf.,
vereinz. ö elbostf.; pr Mda-Sti 19; Bure, [br] verstr. s Altm.,
vereinz. mittleres JE2, verstr. mbrdb., verbr. n elbostf., vereinz.
n OSCH; Bu(h)rn Pl. SA-Han Rie, vereinz. ö Altm., JE1-Gü,
BA-Re, Vk-Unterharza 52 (BA-Schie); [biu] verbr. nwaltm.;[574]
[biu] SA-Dä; Büer SA-Um; [büu] SA-Hi Pe; Bauer Sg.,
Bauern Pl. verstr. s ZE, QUE-GrSchie, Vk-Anhaltc 141 (BA-
Neu), verbr. anhalt.; [paur] Wb-Be.
Expandiere:
Lemma
Ber (Homonymziffer 1)
Grammatische Angabe
m.
Gliederung
1a.
Bedeutung
‘(Groß-)Bauer, Landwirt, Besitzer eines Bauernhofes’ verbr.
Belege
  • Die B. hatten freie Verfügungsgewalt über ihren (Erb-)Besitz, Abgaben und Belastungen lagen allenfalls auf dem Hof, nicht auf der Person des B. Da sie die größten landwirtschaftlichen Nutzflächen (um 1900 bis zu Größen von über 70 Morgen in der Altm., über 100 Morgen im Unterharz und in der Börde, wo sich sogar Höfe bis zu einer Größe von 400 Morgen fanden) und als Einzige ein volles Pferdegespann (Vollspänner: 4 bis 6 Pferde) besaßen, bildeten sie die Oberschicht. Wohlhabende B. arbeiteten nicht mehr selbst mit, sondern leiteten den landwirtschaftlichen Betrieb von einem im Anwesen eingerichteten Kontor aus. Nur sie durften als B. bezeichnet werden, im letzten Drittel des 19. Jh. gingen sie selbst zur Bezeichnung Ökonom über. Unter ihnen standen in der sozialen Hierarchie die Dreiviertel-/Halbhüfner und Halbspänner sowie die Kossaten (vgl. ausf. Ktste(r)) und Grundsitzer, die über wenig oder nur gepachtetes Ackerland verfügen konnten. vgl. u.a. Knechte-nwAltm 5, Vk-Altm 50, Alltag-Börde 14 f., 403, Volkstum-Ma 36, Vk-Unterharza 41.
  • de grte Ber ‘der Besitzer eines Bauernhofes’ Wb-We 24
  • bie de groten Bure wärt disse Arbeit in Akkort e’makt HA-Neu
  • d Mut (Magd) dnt bain Ban JE2-Scho
  • Da is mal ... en Bure west, dei’n grotes Anwesen harre. Rauch 1929,77
  • en Buer mutt feste mit taufaat’n, der kann nich blot mit’n Handschtock jahn WA-We
  • Slimm genogt, dät de Bure nich to ville Insicht häm ... Heimatkalender-Je 1924,59 (JE2-Vie)
  • Bei den eenen (gemeint ist eine Gaststätte) waren der Farre un der Kanter un der Schulze un de Bauern ... Heese 21919,101
  • Zundert alleweile hat je wo jeder Bauer seine Jagd ... Wäschke 61915,24
  • Rda.: den Buren up’n Aeddelmann setten ‘nach Wein Bier trinken’ Id-Altm
  • dat willt nu mal Engels weeren, sää de Paster, dunn leigen sebben besoopene Buren undern Disch HA-No
  • Sprw.: Sommerroggen un Ziegenmeß freten den Bur’ as he is. ‘Beide ruinieren den B., weil der Sommerroggen den Boden auszehrt und Ziegenmist nutzlos ist’. Spr-Altm 87
  • Tanzlied:Alleweil sin de Bauern lustig,
    Alleweil sin de Bauern froh,
    Alleweil kost’ der Weizen fuffzig
    Un zwee Groschen das Bund Stroh.
    Vk-Anhaltc 141 (BA-Neu)
  • von den anderen sozialen Schichten des Dorfes streng geschieden, entwickelte sich ein eigenes Standesbewusstsein, dem bes. im Selbstbild best. Eigenschaften zugeordnet werden: Sprw.: ein Bur kann nich artreckt (erzogen) wern, dei mot geboren sien WO-Gu
  • de Hoff stärvt nich, blot de Buurn stärven OST-Sta
  • Wenn man ainen Buren opp de Töne (Zehen) tritt, denn hinkt dat ganze Dörp. Wb-Holzl 35
  • Wer’n Bur’n bedregen will, de mütt fröh upstaohn. Bewohner-Altm 1,325
  • de Buur de up sien Vee nich acht, de acht sick sälwest nich OST-Sta
  • Hat de Bure Geld, denn hat’t de ganze Welt. ‘Eine gut gehende Landwirtschaft, sichert auch den Wohlstand eines Landes.’ Chr-Em 428
  • das Bestreben, dieser Stellung auch äußerlich Ausdruck zu verleihen, regt zu Spott an: Rda.: Dät versteiht sich, sä de Bur, dao sprak’r hochdütsch. Bewohner-Altm 1,325
  • Een Bur woll ook väörnehm sind, häi slep bet half Naomiddag. a.a.O. 1,324
  • Sprw.: Bure blifft Bure un wenn hei slöpt bet Middag HA-Bee
  • n slächten Buan, de nich prohlen un stähn (stöhnen) kann, je nohdem wiet anbracht is STE-KlMö
  • In Gedanken frt de Br k in’t Kutsch. wird gesagt, wenn sich jmd. Illusionen macht, Wb-Altm 205
  • Bur is keen Eddelmann. Bewohner-Altm 1,324
  • andererseits wird den B. Eigennutz, Geiz und übermäßiges Gewinnstreben nachgesagt: Rda.: Ei is Ei, sagte de Bur, dunn bracht’r ’n Preister ’n Sperlingsei. Spr-Altm 87
  • Dat kost nix, sä de Bur, do prügelt he sin Jung. Heimatland-Ga 1930 Nr. 10
  • Sprw.: Wenn de Bure fon Je’m höört, dat is als wenn de Slach ön röört. Wb-Holzl 35
  • Wenn de Bur spar’n will, denn fängt’r bäin Köster un Prester an. Bewohner-Altm 1,324
  • ’ne Arme kann man ebenso argern as ’ne Rieke sagte de Bur, as he nach Geld freiete. Spr-Altm 87
  • Wenn de Köh’ god togaohn un de Fraun’s god afgaohn, denn kann de Bur bestaohn. ‘Wenn die Rinder gut gedeihen und die Ehefrau stirbt, kann der Bauer (durch eine erneute Heirat einer vermö- genden Frau) seinen Reichtum mehren.’ Bewohner-Altm 1,324
  • ebenso gilt der B. als dickköpfig und bequem: wat de Bur nich will, det deit he nich STE-Do
  • ehe der Bure zweemoahl jeit, schlept’te detten der Buuk weh deit JE1-Wol
  • sowohl abw. als auch anerkennend (mit Bezug auf die Bauernschläue): en Bur is en Bur, is en Beist (Biest) von Natur WE-Oster
  • Br iss ’n Br, Schelm von Natur. Wb-Altm 98
  • aus der Sicht der Stadtbevölkerung werden den Bauern Unkultiviertheit, Rückständigkeit, Beschränktheit, sogar Dummheit und Grobheit vorgeworfen: Rda.: de Ber stöt’n in’n Nacken ‘Derbheit und Ungebildetheit dringen immer wieder beim B. durch’ Wb-We 24
  • dat gaet ja as wenn dai Biua Pliu’m fritt ‘das geht sehr schnell’ SA-Dä
  • Alltoglik sä de Bur, dao har’r een Pärd vör’n Waw’n (Wagen). Bewohner-Altm 1,325
  • wat versteht de Bure von Jurkensalat? OSCH-Eils
  • Wat de Welt doch grod is, sä de Bur, dunn keek’r äöwer’n Kohltun. Bewohner-Altm 1,324
  • A’ wil (jetzt) kaom ick, sä de Bur, dao feel häi ut de Luk. Verspottung von übertriebenem Eifer, a.a.O. 1,324
  • Sprw.: wat de Bur nich kennt, det fritt he nich GA-Trü
  • wenn de Buer keine Inwenige (Wendestelle) härre, pleue hei bet na Jerusalem WE-Dee
  • De Bur’n lieben lange Mettwöst un korte Predigt. Spr-Altm 87
  • de dümmsten Burn hebbn de jrötsten Tüffeln STE-Bir.
1b.
Bedeutung
in der Verbdg.: lüttger/kleiner Ber ‘Kleinbauer, Besitzer eines kleinen Ackerhofes’,  Ktste(r)
Verbreitung
  • 2: ZE-Jü
  • 3: vereinz. OSCH WE.
2.
Bedeutung
‘grober, unhöflicher Mensch’, abw.
Verbreitung
4: Wb-Ak 33, Vk-Anhaltc 42
Belege
Rda.: D bist an richtijer Bauer, nimmst nonichem de Mitze ab. Wb-Ak 33.
3.
Bedeutung
‘Unter’, Spielkarte
Verbreitung
2: Wb-Altm 29.
4.
Bedeutung
‘Weihnachtsmann’,  Wnachtsmann, vgl. Berkls
Verbreitung
3: Wb-Nharz 35.